Schulärzte: Kinder unter drei bleiben medienfrei

Das Gesundheitsamt und die Frühen Hilfen des Kreises Heinsberg wollen zum Thema Medienkonsum bei Kindern aufklären und unterstützen. Ob Smartphone, Tablet, Spielekonsole oder Computer – Kinder werden immer früher und alltäglich mit digitalen Medien konfrontiert. Ein unkritischer Umgang mit der digitalen Umwelt birgt nach Einschätzung der Schulärzte des Kreises Heinsberg erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Kinder, was in vielen Studien nachgewiesen wurde und im Alltag inzwischen überall zu beobachten ist.

Durch Corona verstärkt, stellen die Schulärzte in allen Bereichen (Kindergärten, Grundschulen, weiterführenden Schulen) fest, dass ein übermäßiger und vor allem zu früher Medienkonsum die Entwicklung der Kinder dramatisch verschlechtert, sowohl in den Bereichen Sprache, Kognition und Motorik als auch im Bereich der Sozialisation.

Neben den Folgen für Gesundheit und Entwicklung fehlt den Kindern zunehmend die Selbstregulation, also die Fähigkeit, ihre Aufmerksamkeit, Emotionen, Impulse und Handlungen selbst zu steuern. Dieser Umstand führt zu Verhaltensstörungen und behindert das weitere Lernen.

Die Ergebnisse der jährlichen Schuleingangsuntersuchungen im Kreis Heinsberg bilden diese Entwicklung ab: Von den insgesamt 2937 Schulneulingen für das Schuljahr 2024/2025 benötigten 350 Kinder aufgrund deutlicher Entwicklungsauffälligkeiten einen besonderen Termin zur Schuleingangsuntersuchung. Und auch die Schulneulinge, die in der regulären Schuleingangsuntersuchung gesehen wurden, verfügten seltener über altersgemäße vorschulische Fähigkeiten. Zu sehen ist außerdem, dass die Zahl der Kinder in bereits laufenden Therapien (Logopädie, Ergotherapie) drastisch zugenommen hat. Infolge explodieren die Wartelisten für Therapieplätze, aber auch für eine weitere Abklärung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum.

Die Inhalte der bereits 2020/2021 gestarteten Kampagne „Kinder unter drei bleiben handyfrei“ mit der Plakat- und Postkartenaktion „Wusstest du eigentlich“ der Frühen Hilfen des Kreises Heinsberg bleiben angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung brandaktuell. Der Düsseldorfer Künstler Ralf Frenken hat die Risiken und Folgen des zu frühen und übermäßigen Medienkonsums treffend in Form von unterschiedlichen Cartoons veranschaulicht. Bei Kindern, die zur Hyperaktivität neigen, kann sich diese durch die Nutzung von Handys und Tablets verstärken. Ebenso können Kurzsichtigkeit und Depressionen langfristige Folgen sein.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wurden die Plakate der Aktion „Kinder unter drei bleiben handyfrei“ in den vergangenen Wochen erneut an Geburtskliniken, Gynäkologen, Kinderarztpraxen und Kindergärten im Kreis Heinsberg verschickt. Sowohl die Frühen Hilfen als auch das Gesundheitsamt des Kreises Heinsberg wollen aufklären, denn an die Familien der heutigen Zeit werden hohe Ansprüche gestellt. Mehr als ein Jahr Elternzeit ist von den meisten Familien finanziell nicht mehr zu stemmen. Dann der Spagat zwischen Beruf und Familie. Hinzu kommen noch Corona und seine Folgen: wegfallende Kinderbetreuung, Homeschooling, Homeoffice, Isolation, sowohl Eltern als auch Kinder kamen an den Rand der Belastbarkeit und müssen sich noch heute davon erholen.

Wichtig ist es, den Familien wieder vielleicht vergessene, aber dennoch bewährte Beschäftigungsalternativen für die Kinder an die Hand zu geben. Vor allem in Wartebereichen oder im Restaurant, Café oder sogar in Einkaufswägen im Supermarkt sieht man Kinder vor Handy oder Tablet „geparkt“. Hier heißt es, eine Hilfestellung zu geben und sowohl beliebte Spiele als auch Bücher wieder in Erinnerung zu rufen, um Wartezeiten zu überbrücken.

Auch die Präventionsgruppe des Gesundheitsamtes Heinsberg möchte hier ansetzen. Bisher gab es im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung Informationsflyer für Eltern, wie sie ihre Kinder zum Beispiel im Bereich der Sprache, des Zahlen-Mengenverständnisses und des Malens zu Hause fördern können. Diese wurden überarbeitet und neu aufgelegt. Ergänzt wurde jetzt ein Flyer zum Thema „Vorlesen im Vorschulalter“. In diesem werden konkret Buchtitel und Autoren empfehlenswerter Bücher genannt. Zukünftig sind weitere Flyer zu den Themen „Vorlesen im Kita-Alter“, „Empfehlenswerte Spiele“ und „Vorschulische Fähigkeiten“ geplant.

Das Wertvollste für Kinder sind und bleiben starke Eltern, die es trotz ihres trubeligen Alltags schaffen, ihren Kindern altersangemessene Beschäftigungsalternativen zu digitalen Medien anzubieten. Nur so haben die Kinder die Möglichkeit, sich bestmöglich und gesund zu entwickeln.

Für weitere Informationen aus einem Auszug der Leitlinie zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in Kindheit und Jugend bitte hier klicken.

Die Plakate und Postkarten können kostenfrei über die Seite der Frühen Hilfen Kreis Heinsberg bestellt werden: www.fruehe-hilfen-kreis-hs.de.

Frühe Hilfen sind Angebote für Eltern ab der Schwangerschaft und Familien mit Kindern bis drei Jahre. Sie umfassen praktische Hilfen, Beratung, Vermittlung und Begleitung. Frühe Hilfen richten sich insbesondere an Familien, die das Gefühl haben, im Alltag mit Kind überfordert zu sein, und sich Unterstützung wünschen.

Dr. Britta Wegmann (von links), Stephanie Reiners, Gesundheitsamtsleiterin Heidrun Schößler, Landrat Stephan Pusch, Dr. Friederike Plum und Sandra Schüren. Foto: Kreis Heinsberg
Dr. Britta Wegmann (von links), Stephanie Reiners, Gesundheitsamtsleiterin Heidrun Schößler, Landrat Stephan Pusch, Dr. Friederike Plum und Sandra Schüren. Foto: Kreis Heinsberg

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